Die
Gruppenphase ist vorbei. Bevor nun heute die K.O.-Runde losgeht, möchte ich
eine kleine Zwischenbilanz ziehen. Was hat mich überrascht, was enttäuscht. Wie
sehen nun die Favoriten aus?
Fangen
wir mit den einzelnen Gruppen an. Letztendlich kann man die Gruppen schön
Halbehalbe in eher langweilige bis sehr schlechte Gruppen und ordentliche bis
unterhaltsame Gruppen teilen.
Fangen
wir mit den schlechteren an. Die Spiele in Gruppe A waren eher mäßig. Brasilien
qualifiziert sich dank Neymar, einer gehörigen Portion Glück und dem
Schiedsrichter des ersten Spiels. Denn ich möchte nicht wissen wie schwierig es
nach einem Unentschieden im ersten Spiel mit der doch überschaubaren Leistung
geworden wäre. Brasilien bleibt Mitfavorit aber wenn die Abwehrschwächen
(gerade über die Außen) nicht abgestellt werden und ein bisschen mehr
Flexibilität ins Spiel kommt wird es schwer. Kroatien enttäuschte ein wenig,
trotz eines ordentlichen (und letztlich unglücklichen) Auftakts. Mexiko hat
mich überrascht, denn viel hatte ich der Mannschaft nicht zugetraut.
Gruppe
C war auch nicht gerade berauschend. Kolumbien hatte aufgrund der fehlende
Konkurrenz auch ohne Falcao wenig Probleme, doch ist es daher auch schwer die
tatsächliche Stärke der Kolumbianer einzuschätzen. Japan enttäuschte auf ganzer
Linie. Es fehlte einfach an der Durchschlagskraft und dem Willen in einer
Gruppe, die eigentlich leicht genug hätte sein müssen. Das erste Spiel hätte
nicht verloren werden müssen, gegen Griechenland merkte man sehr deutlich das
Fehlen eines Knipsers und trotz fast idealer Ausgangsposition zur Pause wurde
das letzte Spiel dann auch verschlampt.
Gruppe
F war wohl eine der zwei langweiligsten Gruppen, darüber können auch die beiden
letzten Spiele mit 9 Toren nicht hinwegtäuschen. Iran und Nigeria lieferten das
wohl schlechteste Spiel der WM zum Auftakt und viel besser wurde es auch nicht.
Bosnien enttäuschte und die Taktik war auch viel zu zögerlich (warum Ibisevic
auch gegen Nigeria nicht von Anfang an spielte verstehe ich immer noch nicht)
und so kam Messi (sprich: Argentinien) eher aufgrund weniger Gegenwehr denn
eigentlicher Leistung locker durch die Gruppe. Messi (sprich: Argentinien) wird
sich steigern müssen, wollen sie wirklich noch eine ernsthafte Chance auf den
Titel haben.
Gruppe
H war wenn überhaupt nur marginal besser und das lag nicht an Geheimfavorit
Belgien, die einen noch erfolgreicheren Minimalistenfußball boten als
Griechenland, sondern an dem einsatzfreudigen Algerien, das in einer schwachen
Gruppe von der Harmlosigkeit Südkoreas und Russlands profitierte. Keine dieser
Mannschaft (auch Belgien nicht) hatte auch nur annähernd Turnierniveau.
Bei
den besseren Gruppen ordne ich Gruppe E alleine wegen Frankreich ein. Die
Franzosen, mit denen gerade nach dem Ausfall Ribery wenige gerechnet haben,
überzeugten mit klaren Siegen. War das 3:0 gegen Honduras noch kein echter
Gradmesser, sah es da beim 5:2 über die Schweiz schon anders aus. Die Schweizer
hingegen zittern sich ins Achtelfinale, bewiesen nach dem Rückschlag gegen
Frankreich aber auch Moral und Leistungssteigerung. Ecuador ließ zu viel liegen,
nicht nur im ersten Spiel, sondern auch im letzten gegen eine französische
B-Elf, wo gespielt wurde als ob man gar nicht unbedingt gewinnen müsste.
Die
deutsche Gruppe G hatte ihre Höhepunkte, zumindest hatte sie torreiche Spiele
und ein starkes Auftaktspiel zwischen Deutschland und Portugal. Deutschland
spielte eine typische Vorrunde, inklusiver des schlechteren zweiten und des
knappen dritten Spiels aber insgesamt war das Ganze recht souverän. Es gab
schon wesentlich schlechtere Auftakte in ein Turnier. Einzig das Ghana-Spiel
war eine kleine Nervenaufgabe. Die USA kamen etwas überraschend weiter,
aufgrund der kämpferischen Einstellung aber auch wegen der enttäuschenden
Leistung Portugals und der verschenkten Gelegenheit Ghanas im letzten Spiel.
Die
wohl interessantesten Gruppen waren die, die schon auf dem Papier viel
versprachen, wenn auch letztlich anders als erwartet. Gruppe B wartete mit dem
Ausscheiden vom dreimaligen Titelgewinner (WM und EM) der letzten sechs Jahre
auf. War die geradezu peinliche Demontage im ersten Spiel gegen die Niederlande
noch eine große Überraschung, zeigte sich schnell, dass Spanien nicht für
dieses Turnier bereit war, vor allem mental. Die Niederlande erhob sich selbst
in den engeren Favoritenkreis aber ob es bis ganz zum Ende reicht, bleibt
abzuwarten. Chile überzeugte durch einen guten Mix aus Kompaktheit, Aggressivität
im Pressing und spielerischer Qualität. Australien hatte viel Pech, gerade im
zweiten Spiel, hätten die Socceroos tatsächlich noch etwas mehr mitnehmen
können.
Gruppe
D behielt jedoch die echte Überraschung der WM für sich. Costa Rica setzte sich
als Erster in einer Gruppe mit drei ehemaligen Weltmeistern und favorisierten
Teams durch, beide europäischen Teams schieden aus. Von den Leistungen her ist
das Ergebnis bei aller Überraschung aber auch gerecht. Für die englische Mannschaft,
die sich im Umbruch befindet, kam die schwere Gruppe noch zu früh. Italien
wurde für das zögerliche Verwalten der Spiele am Ende bestraft.
Außerhalb
der Ergebnisse muss sicherlich eine Sache angesprochen werden. Die Qualität der
Schiedsrichter. Es ist letztendlich nicht anders als bei früheren Turnieren,
doch die Frequenz, gerade zu Beginn, an haarsträubenden und eben auch
spielentscheidenden Fehlern wirft sicherlich noch mehr schlechtes Licht auf die
sowieso schon scharf in der Kritik stehende FIFA. Es kann einfach nicht sein,
dass bei solch wichtigen Turnieren immer wieder Schiedsrichter pfeifen, die
einfach nicht die nötige Professionalität aufweisen, denn selbst diese machen
ja schon genug Fehler. Und vor allem sollte endlich einmal die alibihafte Schutzhaltung
der FIFA (und letztlich aller Verbände) gegenüber ihren Unparteiischen
aufgehoben werden. Immerhin werden die Herren für ihre Leistungen auch bezahlt
und sollten bei Fehlern dementsprechend auch die Konsequenzen tragen wie jeder
andere Arbeitnehmer auch. Und ich rede hier vor allem über Dinge, die ein
Schiedsrichter (oder Assistent) einfach sehen muss. Knappe Entscheidungen in
einer hektischen Situation sind eine Sache, doch viele Dinge, die bei dieser WM
abgelaufen sind, geschahen entweder mit klarer Sicht der Offiziellen oder eben
wegen unzureichendem Stellungspiel bzw. einer sehr merkwürdigen
Auslegungslinie. Überhaupt wird die Auslegungsfreiheit der Schiedsrichter für
mich zu großzügig ausgelegt. Wofür gibt es Regeln, wenn man sich am Ende immer
mit der "persönlichen Linie" rausreden kann.
Ansonsten
war es ein ordentliches Turnier, mit einigen Überraschungen, einem guten
Auftakt, der sich dann etwas relativiert hat. Jetzt beginnt die heiße Phase.
Ein kurzer Ausblick aufs Achtelfinale.
Brasilien
– Chile: Eine enge Partie. Spielerisch überzeugt hat mich Chile mehr, doch
Gruppenphase und Finalrunden sind immer zwei unterschiedliche Dinge. Es wird
eine enge Partie, die in beide Richtungen enden kann.
Kolumbien
– Uruguay: Der Verlust von Suarez wiegt schwer, fast schon unersetzbar. Eine
Trotzreaktion könnte aber durchaus erwartet werden. Kolumbiens wahre Stärke
wird sich erst jetzt zeigen müssen.
Niederlande
– Mexiko: Da beide aus einer guten Defensive heraus spielen, befürchte ich eine
eher ereignisarme Partie, ein frühes Tor würde dem Spiel guttun. Am Ende dürfte
die Niederlande sich durchsetzen.
Costa
Rica – Griechenland: Eine viel bessere Chance sogar das Viertelfinale zu
erreichen hat Costa Rica wohl nicht. Griechenland wird mehr brauchen als nur
Defensive fürs Weiterkommen.
Frankreich
– Nigeria: Frankreich überzeugte, Nigeria nicht wirklich. Das sollte eigentlich
alles sagen. Wenn die Franzosen nicht wieder so schlampig mit ihren Torchancen
wie gegen Ecuador umgehen, dürfte dieses Spiel kein Problem sein.
Deutschland
– Algerien: Algerien wird unangenehm, da sie nichts zu verlieren haben. Bei
aller Leidenschaft der Afrikaner aber, wäre alles andere als ein überzeugender
Sieg extrem enttäuschend.
Messi
– Schweiz: Die erste Härteprüfung für Messi... ich meine Argentinien. Die
Schweiz wird sich in der Außenseiterrolle sicherlich wohler fühlen und kommt
mit ein bisschen mehr Selbstvertrauen aus dem letzten Spiel. Am Ende befürchte
ich jedoch, dass sich Messi wieder durchsetzt...
Belgien
– USA: Auch sehr schwer einzuschätzen. Belgien hat noch einiges an Luft nach
oben, wurmte sich irgendwie durch die Gruppe. Für die USA ist es ein schwerer
Gegner, da die Belgier wenig Chancen brauchen und den Amerikanern sicher nicht
viel Möglichkeiten für Tempogegenstöße bieten werden. Auch hier befürchte ich
eher eine schwerfällige Partie mit wenig Toren. Starker Kandidat für eine
Verlängerung.
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