2014/06/28

MysticMews WM-Kommentar: Eine Zwischenbilanz


Die Gruppenphase ist vorbei. Bevor nun heute die K.O.-Runde losgeht, möchte ich eine kleine Zwischenbilanz ziehen. Was hat mich überrascht, was enttäuscht. Wie sehen nun die Favoriten aus?



Fangen wir mit den einzelnen Gruppen an. Letztendlich kann man die Gruppen schön Halbehalbe in eher langweilige bis sehr schlechte Gruppen und ordentliche bis unterhaltsame Gruppen teilen.

Fangen wir mit den schlechteren an. Die Spiele in Gruppe A waren eher mäßig. Brasilien qualifiziert sich dank Neymar, einer gehörigen Portion Glück und dem Schiedsrichter des ersten Spiels. Denn ich möchte nicht wissen wie schwierig es nach einem Unentschieden im ersten Spiel mit der doch überschaubaren Leistung geworden wäre. Brasilien bleibt Mitfavorit aber wenn die Abwehrschwächen (gerade über die Außen) nicht abgestellt werden und ein bisschen mehr Flexibilität ins Spiel kommt wird es schwer. Kroatien enttäuschte ein wenig, trotz eines ordentlichen (und letztlich unglücklichen) Auftakts. Mexiko hat mich überrascht, denn viel hatte ich der Mannschaft nicht zugetraut.

Gruppe C war auch nicht gerade berauschend. Kolumbien hatte aufgrund der fehlende Konkurrenz auch ohne Falcao wenig Probleme, doch ist es daher auch schwer die tatsächliche Stärke der Kolumbianer einzuschätzen. Japan enttäuschte auf ganzer Linie. Es fehlte einfach an der Durchschlagskraft und dem Willen in einer Gruppe, die eigentlich leicht genug hätte sein müssen. Das erste Spiel hätte nicht verloren werden müssen, gegen Griechenland merkte man sehr deutlich das Fehlen eines Knipsers und trotz fast idealer Ausgangsposition zur Pause wurde das letzte Spiel dann auch verschlampt.

Gruppe F war wohl eine der zwei langweiligsten Gruppen, darüber können auch die beiden letzten Spiele mit 9 Toren nicht hinwegtäuschen. Iran und Nigeria lieferten das wohl schlechteste Spiel der WM zum Auftakt und viel besser wurde es auch nicht. Bosnien enttäuschte und die Taktik war auch viel zu zögerlich (warum Ibisevic auch gegen Nigeria nicht von Anfang an spielte verstehe ich immer noch nicht) und so kam Messi (sprich: Argentinien) eher aufgrund weniger Gegenwehr denn eigentlicher Leistung locker durch die Gruppe. Messi (sprich: Argentinien) wird sich steigern müssen, wollen sie wirklich noch eine ernsthafte Chance auf den Titel haben.

Gruppe H war wenn überhaupt nur marginal besser und das lag nicht an Geheimfavorit Belgien, die einen noch erfolgreicheren Minimalistenfußball boten als Griechenland, sondern an dem einsatzfreudigen Algerien, das in einer schwachen Gruppe von der Harmlosigkeit Südkoreas und Russlands profitierte. Keine dieser Mannschaft (auch Belgien nicht) hatte auch nur annähernd Turnierniveau.

Bei den besseren Gruppen ordne ich Gruppe E alleine wegen Frankreich ein. Die Franzosen, mit denen gerade nach dem Ausfall Ribery wenige gerechnet haben, überzeugten mit klaren Siegen. War das 3:0 gegen Honduras noch kein echter Gradmesser, sah es da beim 5:2 über die Schweiz schon anders aus. Die Schweizer hingegen zittern sich ins Achtelfinale, bewiesen nach dem Rückschlag gegen Frankreich aber auch Moral und Leistungssteigerung. Ecuador ließ zu viel liegen, nicht nur im ersten Spiel, sondern auch im letzten gegen eine französische B-Elf, wo gespielt wurde als ob man gar nicht unbedingt gewinnen müsste.

Die deutsche Gruppe G hatte ihre Höhepunkte, zumindest hatte sie torreiche Spiele und ein starkes Auftaktspiel zwischen Deutschland und Portugal. Deutschland spielte eine typische Vorrunde, inklusiver des schlechteren zweiten und des knappen dritten Spiels aber insgesamt war das Ganze recht souverän. Es gab schon wesentlich schlechtere Auftakte in ein Turnier. Einzig das Ghana-Spiel war eine kleine Nervenaufgabe. Die USA kamen etwas überraschend weiter, aufgrund der kämpferischen Einstellung aber auch wegen der enttäuschenden Leistung Portugals und der verschenkten Gelegenheit Ghanas im letzten Spiel.

Die wohl interessantesten Gruppen waren die, die schon auf dem Papier viel versprachen, wenn auch letztlich anders als erwartet. Gruppe B wartete mit dem Ausscheiden vom dreimaligen Titelgewinner (WM und EM) der letzten sechs Jahre auf. War die geradezu peinliche Demontage im ersten Spiel gegen die Niederlande noch eine große Überraschung, zeigte sich schnell, dass Spanien nicht für dieses Turnier bereit war, vor allem mental. Die Niederlande erhob sich selbst in den engeren Favoritenkreis aber ob es bis ganz zum Ende reicht, bleibt abzuwarten. Chile überzeugte durch einen guten Mix aus Kompaktheit, Aggressivität im Pressing und spielerischer Qualität. Australien hatte viel Pech, gerade im zweiten Spiel, hätten die Socceroos tatsächlich noch etwas mehr mitnehmen können.

Gruppe D behielt jedoch die echte Überraschung der WM für sich. Costa Rica setzte sich als Erster in einer Gruppe mit drei ehemaligen Weltmeistern und favorisierten Teams durch, beide europäischen Teams schieden aus. Von den Leistungen her ist das Ergebnis bei aller Überraschung aber auch gerecht. Für die englische Mannschaft, die sich im Umbruch befindet, kam die schwere Gruppe noch zu früh. Italien wurde für das zögerliche Verwalten der Spiele am Ende bestraft.

Außerhalb der Ergebnisse muss sicherlich eine Sache angesprochen werden. Die Qualität der Schiedsrichter. Es ist letztendlich nicht anders als bei früheren Turnieren, doch die Frequenz, gerade zu Beginn, an haarsträubenden und eben auch spielentscheidenden Fehlern wirft sicherlich noch mehr schlechtes Licht auf die sowieso schon scharf in der Kritik stehende FIFA. Es kann einfach nicht sein, dass bei solch wichtigen Turnieren immer wieder Schiedsrichter pfeifen, die einfach nicht die nötige Professionalität aufweisen, denn selbst diese machen ja schon genug Fehler. Und vor allem sollte endlich einmal die alibihafte Schutzhaltung der FIFA (und letztlich aller Verbände) gegenüber ihren Unparteiischen aufgehoben werden. Immerhin werden die Herren für ihre Leistungen auch bezahlt und sollten bei Fehlern dementsprechend auch die Konsequenzen tragen wie jeder andere Arbeitnehmer auch. Und ich rede hier vor allem über Dinge, die ein Schiedsrichter (oder Assistent) einfach sehen muss. Knappe Entscheidungen in einer hektischen Situation sind eine Sache, doch viele Dinge, die bei dieser WM abgelaufen sind, geschahen entweder mit klarer Sicht der Offiziellen oder eben wegen unzureichendem Stellungspiel bzw. einer sehr merkwürdigen Auslegungslinie. Überhaupt wird die Auslegungsfreiheit der Schiedsrichter für mich zu großzügig ausgelegt. Wofür gibt es Regeln, wenn man sich am Ende immer mit der "persönlichen Linie" rausreden kann.

Ansonsten war es ein ordentliches Turnier, mit einigen Überraschungen, einem guten Auftakt, der sich dann etwas relativiert hat. Jetzt beginnt die heiße Phase. Ein kurzer Ausblick aufs Achtelfinale.

Brasilien – Chile: Eine enge Partie. Spielerisch überzeugt hat mich Chile mehr, doch Gruppenphase und Finalrunden sind immer zwei unterschiedliche Dinge. Es wird eine enge Partie, die in beide Richtungen enden kann.
Kolumbien – Uruguay: Der Verlust von Suarez wiegt schwer, fast schon unersetzbar. Eine Trotzreaktion könnte aber durchaus erwartet werden. Kolumbiens wahre Stärke wird sich erst jetzt zeigen müssen.
Niederlande – Mexiko: Da beide aus einer guten Defensive heraus spielen, befürchte ich eine eher ereignisarme Partie, ein frühes Tor würde dem Spiel guttun. Am Ende dürfte die Niederlande sich durchsetzen.
Costa Rica – Griechenland: Eine viel bessere Chance sogar das Viertelfinale zu erreichen hat Costa Rica wohl nicht. Griechenland wird mehr brauchen als nur Defensive fürs Weiterkommen.
Frankreich – Nigeria: Frankreich überzeugte, Nigeria nicht wirklich. Das sollte eigentlich alles sagen. Wenn die Franzosen nicht wieder so schlampig mit ihren Torchancen wie gegen Ecuador umgehen, dürfte dieses Spiel kein Problem sein.
Deutschland – Algerien: Algerien wird unangenehm, da sie nichts zu verlieren haben. Bei aller Leidenschaft der Afrikaner aber, wäre alles andere als ein überzeugender Sieg extrem enttäuschend.
Messi – Schweiz: Die erste Härteprüfung für Messi... ich meine Argentinien. Die Schweiz wird sich in der Außenseiterrolle sicherlich wohler fühlen und kommt mit ein bisschen mehr Selbstvertrauen aus dem letzten Spiel. Am Ende befürchte ich jedoch, dass sich Messi wieder durchsetzt...
Belgien – USA: Auch sehr schwer einzuschätzen. Belgien hat noch einiges an Luft nach oben, wurmte sich irgendwie durch die Gruppe. Für die USA ist es ein schwerer Gegner, da die Belgier wenig Chancen brauchen und den Amerikanern sicher nicht viel Möglichkeiten für Tempogegenstöße bieten werden. Auch hier befürchte ich eher eine schwerfällige Partie mit wenig Toren. Starker Kandidat für eine Verlängerung.

Wer wird Weltmeister? Fragt mich nach dem Achtelfinale nochmal. Noch hat sich keiner völlig aufgedrängt. Deutschland und Niederlande in Ansätzen, Brasilien und Argentinien haben den Anspruch aber noch nicht die Leistung, von dem Geheimfavoriten Belgien und Chile gebe ich nur Chile minimale Chancen. Wenn letztere sich gegen Brasilien durchsetzen ist viel drinnen. Das Überraschungsteam könnte Frankreich sein. Es wird kein einfaches mögliches Viertelfinale für die deutsche Mannschaft. Überhaupt dürfte Algerien das letzte leichte Spiel sein, dann wohl Frankreich und dann der Sieger aus dem Südamerikaquartett.

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